Impulsantworten Erstellen

Akustische Probleme und Impulsantworten

Keine Angst, ich werde hier nicht eine akustische Abhandlung schreiben. Da es bei mehrkanaligen Impulsantworten zwischen den einzelnen Kanälen zwangsläufig zu Reibereien wie überbetonte Frequenzen und Phasenauslöschungen kommen kann, lohnt es sich, mal die eine oder andere Situation zu analysieren.

Sweeps Analysieren

Rufen wir es uns nochmals in Erinnerung: Mit einem Lautsprecher erzeugen wir Reflexionen eines Sweepsignal. Zum Glück ist dieses Sweepsignal mehr als nur eine Zumutung für unser Seelenfrieden, sondern zeigt uns beim genaueren Betrachten allerlei Infos über die Akustik eines Raumes. Sozusagen der Seelenfrieden eines Raumes :-)

Auf der Seite Impulsantworten mit Sweeps erstellen habe ich aufgezeigt, was ein Sweep ist. Lassen wir uns doch mal das Spektrum und die Wellenform des aufgenommenen Sweeps anzeigen und schauen, was wir da so alles erkennen können:

Spektrale Anzeige eines Sweep Signal zum erstellen von Impulsantworten
Abbildung 4: Frequenzspektrum eines computergenerierten Sinussweeps

Ein Sweepsignal ist ein Signal, das gleichmässig über das Frequenzspektrum von 20-20kHz mit gleichem Audiopegel ansteigt. Wird das Signal nun in einem Raum abgespielt und wieder aufgenommen, kann man sehen, was die Akustik vor Ort mit unserem schönen, reinen Sweep angerichtet hat:

Sweep 1: Sweep mit deutlichen Raummoden in den Bässen

Vom perfekt geformten Computer-Sinus ist ein ausgewachsener Sinus-Sweep mit Ecken und Kanten geworden. Unser Sweep 1 ist ein äusserst gleichmässiger und ausgeglichener Sweep mit einem schönen Nachhall, den man deutlich aus dem Signal heraushören und auch im Spektrums sehen kann.

Gut zu erkennen und zu hören sind die Resonanzen im Tiefton Bereich, die besonders bei 180Hz deutlich Scheppern. Da jeder Raum durch seine Dimensionen Angriffsfläche für akustische Probleme bietet, kann man wohl sagen, dass unser Raum hier eine deutliche Resonanz bei 120 Hz produziert.

Für unsere Impulsantwort bedeutet dies aber nichts Schlimmes, im Gegenteil: Unsere Impulsantwort ist ein Fingerabdruck dieses Raums, den wir kopieren wollen und wo auch diese Raummoden enthalten sind.

Wenn diese Rumpelfrequenzen nun nicht allzu stark ausgebildet sind, gehören die zur natürlichen Eigenheit dieses Raumes und prägen ihn. Sollten sie jedoch zu Stark auftreten, wäre hier ein Verschieben der Mikrofone, ein Reduzieren der Wiedergabelautstärke des Sweeps oder die Nachbearbeitung des Sweeps am Computer zu empfehlen.

Impulsantworten erstellen Klangspektrum Sweep Signal Analysieren
Abbildung 18: Spektrum Analyse eines Audio Sweeps

Auffällig ist das typische Verhalten von Raumresonanzen: Die Erhöhungen, die man im Spektrum sieht und in der Aufnahme deutlich hört, stehen im Verhältnis zu einander: Die erste Resonanz tritt bei ca 45 - 50Hz auf, die zweite bei 90-100Hz, gefolgt von 120Hz, 180 und 250Hz.

90Hz ist eine Frequenzverdoppelung, also eine Oktave zu den 45Hz im Sub-Bereich. Eine erneute Resonanz tritt bei 180Hz besonders stark auf, was wieder eine Oktave ist. Auch die Resonanzen von 250 und 120Hz stehen im Verhältnis zu einander und liegen eine Oktave auseinander.

Sweep 2: Unruhiger Sweep mit allerlei Resonanzen

Sweep 2 ist im Tieftonbereich auffällig ruhig, macht jedoch im Mittentonbereich deutliche Resonanzen. Dieser Sweep lässt auf einen eher kleinen Raum schliessen, wo hingegen Sweep 1 aus einem viel grösseren Raum stammt.

Was hilft uns das jetzt?

Dumm ist, dass man all diese Analysen erst machen kann, nachdem der Sweep aufgenommen wurde. Hinzu kommt, dass man diese Analysen meist erst bei der Nachbearbeitung im Studio macht. Und zwar dann, wenn Probleme und seltsame Phänomene auftreten, die man nicht gebrauchen kann. Dann ist es leider zu spät, Angleichungen und Korrekturen sind schnell aufwändig und kompliziert, so dass die mühsam aufgenommene Sweeps nicht verwendet werden können.

Wie bei der Zahncreme gilt auch hier die Prophylaxe.

Phasenprobleme bewältigen

Sweep 3: Stereo-Rearkanäle mit Phasenproblemen

Produzieren Impulsantworten einen Hall mit negativen Phasenlagen, so ist dieser nur mit Vorsicht zu verwenden. Besonders in Audio Post Produktionsanwendungen und Kinoton ist dies unerwünscht, da bei Downmix-Versionen sich negative und positive Bereiche auslöschen und Tonmaterial Verschwinden kann. Dies ist ein unberechenbares Phänomen und gilt es zu verhindern, also sollten möglichst keine negativen Phasenlagen entstehen.

Phasenprobleme zwischen den einzelnen Kanälen haben mich bei der Nachbearbeitung fast zum Verzweifeln gebracht. Duzende von Tracks wanderten in die Tonne, weil sie einfach zu wenig Phasenstabil waren.

Grundsätzlich:

Treten Phasenprobleme zwischen den einzelnen Kanälen auf, kann man sicher sein, das die umgewandelten Impulsantworten die selben Phasenprobleme bescheren werden. Im Beispiel von den Sweeps in Sweeps 3 sieht man deutlich, wie sich das Phasenmeter im Tieftonbereich in den negativen Bereich verschiebt. Dies gilt es bei der Aufnahme unbedingt zu verhindern.

Ursachen Phasenprobleme

Der Ursache musste auf den Grund gegangen und den Ursprung der Phasenprobleme gefunden werden. Da die Phasenprobleme willkürlich und Frequenzabhängig aufgetreten sind, musste eine Liste mit möglichen Verdächtigen erstellt werden:

  • Phasenprobleme durch ungünstige Mikrofonie
  • technische Probleme (falsch gelötete Kabel, vertauschte Kanäle...)
  • Akustische Ursache

Phasenprobleme durch ungünstige Mikrofonie

Abbildung 18: Mikrofon Array für 3D Audio Impulsantworten
Abbildung 18: Mikrofon Array für Auro-3D® 11.1 Impuls Antworten

Zum Bild 18: Senkrechte Anordnung der Mikrofone ergibt zusätzliche Phasengleichheit, auch wenn Kugel-Mikrofone verwendet werden. Oben sind deutlich die beiden Neumann Mikrofone von MS-Stereo zu sehen.

Als dann die Phasenprobleme weiterhin bestanden, mussten andere, mögliche Übeltäter ausgeschlossen werden.

Technische Fehler

Kanäle vertausche ICH nie! Und überhaupt, MEINE Kabel sind korrekt gelötet! Oder etwa doch nicht....???

Natürlich passieren solche Fehler nur den anderen, trotzdem lohnt es sich, kritisch zu sein und das Setup zu überprüfen.

Impulsantworten Aufnehmen - Akustische Ursachen

Da ich ein grosses Setup mit 10 Audiokanälen für die Auro-3D® 11.1 Impulsantworten am Start hatte, hatte ich auch genügen Kanäle, zu Vergleiche zu machen. Da in einem Surround Setup Front und Rear jeweils einzelne Stereopaare bilden, konnte ich also das Verhalten der Phasenlagen zwischen den Mikrofonsystem vergleichen. Als die Phasenprobleme unabhängig der Mikrofonanordnung auftraten, verhärtete sich also der schon länger gehegte Verdacht, dass die Phasenproblem 'natürlichen' Ursprungs sind, und effektiv mit Aufgenommen werden.

iBook mit Motu Traveler zum abspielen von Sweeps
Abbildung 19: iBook mit Logic Pro und Audio Interface zur Wiedergabe von Sweeps

Da ich sowieso ein Laptop mit Audio-Interface zur Wiedergabe der Sweeps dabei hatte, entschied ich mich kurzerhand die Phasenlage zwischen einzelnen Kanälen mit einem Phasenmeter anzeigen zu lassen. Dies hat sich als sehr hilfreich erwiesen, da natürlich auftretende Phasenprobleme Aufgrund akustischer Phänomene sich ganz einfach anzeigen lassen.

Natürlich ist es ein zusätzlicher Schritt bei der Aufnahme von Impulsantworten, auch noch ein Korrelationsgradmesser zu Rate zu ziehen und macht den Arbeitsablauf sicherlich nicht schneller.

Schlussendlich hat sich dies jedoch gelohnt, um heraus zu finden, wo Probleme auftreten und was man nicht machen sollte.

Impulsantworten Aufnehmen - Probleme vermeiden

Hier habe ich ein paar Punkte notiert um Probleme zu vermeiden. Denn: Sweeps - sie sind nicht von dieser Welt! Sweeps sind etwa fast so unnatürlich wie einige Schönheitsoperationen gewisser Rockstars. Sweeps haben weder Ähnlichkeit mit einer Geige oder sonst einem Instrument. Da sie das gesamte Frequenzspektrum abdecken, reizen sie Aufgrund passabler Lautstärke sämtliche Resonanzen in einem Raum und erwecken sie zum leben, resp. dröhnen. Somit sollten einigen Punkten besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden:

  • Pegel beobachten

    Die Aufnahmepegel von Sweeps sollten stehts im Auge behalten werden. Auch empfiehlt es sich, ein Probedurchlauf zu machen, um die Pegel zu beobachten. Schlägt ein Level gegenüber den anderen ungewöhnlich stark aus, heisst dies, dass bei einer bestimmten Frequenz besonders laute Resonanzen beim jeweiligen Mikrofon entstehen. Dies könnte ungünstig sein und ein leichtes Verschieben des Mikrofons würde Abhilfe schaffen.
  • Übersteuerung vermeiden

    Übersteuerte Sweeps sind der Tod einer jeden guten Impulsantwort. Verzerrungen bringen ebenfalls seltsame Phänomene mit sich und sind schlicht und einfach überflüssig. Also lieber zu wenig Gain also Übersteuern.
    Hinzu kommt, dass mit der selben Aufnahmeposition unterschiedliche Sweeps aufgenommen werden. Diese Sweeps müssen zueinander im Verhältnis stehen. Wer nachregelt macht das ganze Gefüge durcheinander und die Balance ist dahin.
  • Weg von Wänden, Säulen, Ecken

    Säulen, Ecken, Wände, glatte Oberflächen... sie alle bieten reichlich Resonanzen, ungünstige Reflexionen, Gerumpel und Gedröhne. Man kann also davon ausgehen, dass man sich ein paar tüchtige Phasenprobleme einfängt, wenn man sein Zeug in einer Ecke aufbaut. Wenn man die Extreme sucht, sollte die Phasenlage überprüft werden um ein brauchbares Ergebnis zu erhalten oder zumindest eine zweite Version einer leicht versetzten Position erstellen werden. Sollten später Probleme auftauchen, kann man versuchen, die Aufnahmen miteinander Auszutauschen und somit allenfalls das Problem zu umgehen.
  • Sich einen 'geometrisch ausgewogenen' Platz suchen

    Nach meinen anfänglichen Schwierigkeiten mit den Phasenproblemen bin ich nach folgender Überlegung vorgegangen: Wo würde ich meine Mikrofone aufstellen, wenn ich anstelle der Sweeps ein Musik-Instrument aufnehmen würde? Wo würde ich hingehen, wenn ich eine Aufnahme in einem Konzertsaal machen würde? Bestimmt nicht in den Ecken sondern möglichst in die Mitte des Raumes, wo ein ausgewogener Klang von allen Seiten besteht. Wenn man also die Akustik eines Raums einfangen möchte, empfiehlt es sich dort hin zu gehen, wo der Klang am schönsten ist.
    Wer diffuse Aufnahmen machen will, der sollte unbedingt auf Phasenlagen achten.

Fazit

Dies war der erste Teil des Tutorials über die Impulsantworten. Geplant ist ein zweiter Teil, wie man Impulsantworten aufeinander abstimmt und fertige Setups macht. Leider muss ich das noch etwas vor mich herschieben.

Ich hoffe, denjenigen, die selber Impulsantworten erstellen wollen, einiges an Frust und Ärger erspart zu haben. Wer keine Zeit hat, selber Impulsantworten aufzunehmen, kann gerne auf mein IR1 Impuls Antworten Set zurückgreifen. Auch hoffe ich, dass das Tutorial verständlich und nicht allzu lange geraten ist. Natürlich freue ich mich über Feedbacks und Kommentare.

Autor: Guido Helbling, Avosound

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